December 4, 2025
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In unserem BookCircle wollen wir unser eigenes Denken herauszufordern. Wir wollen verstehen, welche Ideen uns helfen, Arbeit, Führung oder Leben neu zu denken und welche nicht. Dieses Mal haben wir uns „The Corporation in the Twenty-First Century“ von John Kay vorgenommen. Ein Buch, das alte Management-Glaubenssätze ziemlich gründlich aufräumt und eine einfache, aber unbequeme Frage stellt:

Wofür gibt es Unternehmen und woran messen wir Erfolg?

Spannend fanden wir das vor allem, weil Kay selbst lange einer der Verfechter des Shareholder-Value-Ansatzes war. Er kennt das System von innen. Und genau deshalb gelingt es ihm, es so klug zu hinterfragen. Wir wollten aber kein Theorieseminar. Sondern wissen, was seine Gedanken für uns heute bedeuten – in der Beratung, in Projekten, in unserem eigenen Selbstverständnis.

Also haben wir uns fünf Fragen gestellt. Jede:r für sich, dann gemeinsam im Austausch:

  1. Value: Wie würden wir einem fünfjährigen Kind erklären, was unsere Firma tut?  
  2. Success: Welche stillen Glaubenssätze über Erfolg prägen unsere Arbeit – und welche davon würde John Kay infrage stellen?  
  3. Offering: Wie sähe Beratung aus, wenn sie Kays Prinzipien wirklich ernst nimmt – in Haltung, Methode, und Angebot?  
  4. New Company: Wenn wir morgen ein Unternehmen auf Kays Basis gründen müssten – was wäre der erste Schritt, und wo läge das größte Risiko?  
  5. Critique: Was hat Kay übersehen – oder zu kurz gedacht?

Die Diskussion war ziemlich 55BirchStreet-like: viele spannende Gedanken, unterschiedliche Blickwinkel und nicht immer ein Konsens.  

Was bleibt also nach dem Austausch?

Drei Gedanken, die bei uns hängen geblieben sind:

1. Wirkung statt Stunden

In der Beratung entsteht schnell der Eindruck, dass alles gut ist, solange es abrechenbar ist und dass ein langes Projekt automatisch wirksamer sein muss als ein kurzes. Wir wissen alle, dass das nicht stimmt, aber das System belohnt nach wie vor „beschäftigt sein“ mehr als „etwas verändern“.

Genau deshalb ist dieser Gedanke bei uns hängen geblieben. Er ist unbequem, weil er uns zwingt, Erfolg anders zu betrachten: nicht über die Anzahl an Stunden, die wir investiert haben, sondern Impact. Und ja, ob etwas wirklich besser geworden ist, ist schwerer zu messen – und schwerer mit dem Konzerneinkauf zu vereinbaren. „Wirkung“ lässt sich nicht so einfach in ein Sheet eintragen wie „Auslastung“. Und manchmal bedeutet Wirkung auch, Dinge nicht zu tun, die zwar Umsatz bringen, aber nichts bewegen.

Trotzdem lässt uns die Frage nicht los: Was wäre, wenn Beratung weniger dafür bezahlt würde, wie lange wir bleiben und mehr dafür, dass sich für Kund:innen wirklich etwas verändert?  

2. Kein Problem ohne Kontext

Projekte funktionieren selten isoliert. Ein Thema zieht das nächste nach sich. Abteilungen arbeiten doppelt, Prozesse greifen nicht ineinander, und Beratung bleibt oft an den Rändern stecken. Fast jedes Projekt zeigt uns aufs Neue, dass Dinge selten nur an einem Ort hängen. Wenn du an einer Stelle etwas bewegst, ruckelt es an drei anderen mit. Themen ziehen sich durch die Organisation, Teams arbeiten parallel, Schnittstellen greifen nicht sauber ineinander. Beratung landet häufig genau in dem Ausschnitt, der offiziell beauftragt wurde, obwohl der Hebel eigentlich ein paar Ebenen daneben läge.

People, Prozesse und Technologie lassen sich nie gänzlich losgelöst voneinander verändern - das muss allen Beteiligten klar sein, damit sie diesen systemischen Eingriff in ihre Organisation zulassen.

3. Purpose braucht Konsequenz

Ein Unternehmenszweck ist schnell formuliert. Aber gilt er auch, wenn er etwas kostet? Kay erzählt von Unternehmen, die sich „kundenzentriert“ nennen, aber Entscheidungen treffen, die diesem widersprechen. Die Diskrepanz zwischen Slogan und Handeln zieht sich durch viele Branchen. Purpose fühlt sich gut an, solange er nichts fordert. Wirklich spürbar wird er erst, wenn er Entscheidungen verändert oder uns dazu bringt, ein Projekt abzulehnen, obwohl es wirtschaftlich attraktiv wäre, aber nicht zu dem passt, wofür wir stehen.  

„Ein Unternehmenszweck ist nur so stark wie das letzte Projekt, das man ablehnt.“

Was bleibt für uns?

Kays Gedanken waren nicht komplett neu, aber ein paar Themen werden uns noch eine Weile begleiten. Sie rütteln am traditionellen Beratungsmodell, das wir selbst schon oft hinterfragt haben und das wir bei 55BirchStreet bewusst anders leben wollen. Vielleicht ist die ehrliche Frage nach einem Projekt daher: Ist etwas wirklich besser geworden – oder haben wir nur sehr sauber erklärt, warum es bleibt, wie es ist?

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Martin Orthen

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