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Warum es Zeit ist, dass Berater die Krawatte ablegen und die Ärmel hochkrempeln.


Erstens natürlich, weil es völlig unpassend ist, im Home-Office Anzug zu tragen. Doch auch darüber hinaus zeigt uns die Corona Krise, warum es Zeit ist, das Bild der Berater zu wandeln – optisch, verhaltenstechnisch und fachlich.


Wenn wir ehrlich sind: Niemand mag klischeehafte Unternehmensberater.

Dafür brauchen wir keine quantitative Studie erheben. Wenn die Damen und Herren in Anzügen über die Gänge der Unternehmen streifen, dann wird vor allem über die hohen Tagessätze, Entlassungen, Restrukturierungen oder die Unerfahrenheit der Berater hinsichtlich der eigenen Industrie gelächelt oder sich beschwert.


Doch der Bedarf an Unterstützung – ob bei der Navigation durch die Krise und bei den Herausforderungen im nachfolgenden Strukturwandel – wächst. Insbesondere die Notwendigkeit zur Digitalisierung von Geschäftsmodellen und agilen Unternehmensformen wurde in den letzten Monaten sehr deutlich.


Unternehmen können es sich kaum leisten, in dieser Dynamik rumzusitzen und abzuwarten, sondern sollten jetzt so bewusst handeln, dass sie ihre Zukunft selbst proaktiv gestalten und in Zukunft weiterhin echten Wert schaffen können. Gleichzeitig stehen Führungspersönlichkeiten vor der großen Herausforderung, die Menschen durch diese Ungewissheit in eine neue Welt, die „Post-Corona Welt“ zu führen.


Die VUCA Welt war gestern, die Post-Corona Welt ist heute.

Ob radikale finanzielle oder persönliche Einschläge oder „nur“ die einprägsame Isolation – viele Mitarbeiter/innen haben in der letzten Zeit deutliche Veränderungen erlebt und das verändert die Wahrnehmung. Plötzlich werden zeitlose Bedürfnisse relevanter, wir wollen mehr Menschlichkeit, Zusammenhalt und Nahbarkeit. Weniger Ego, weniger Besserwisser, weniger Arroganz.


Das ist unsere Chance, uns von den Klischees unserer Berufsbezeichnung nachhaltig zu befreien.

Wir von 55BirchStreet glauben schon lange an den alten Spruch Charles Handys von 1995 und weiten dessen Bedeutung gern aus – auf Berater, Coaches und all die, die Organisationen entwickeln und voranbringen wollen:

Whereas the heroic manager of the past knew all, could do all, and could solve every problem, the postheroic manager asks how every problem can be solved in a way that develops other people´s capacity to handle it.

– Charles Handy, Irischer Wirtschafts- und Sozialphilosoph


Zahlreiche Fachartikel der letzten Jahre deklarierten, wir seien in unkalkulierbaren Zeiten der stetigen Veränderung und zack! führt uns das Corona erschreckend deutlich vor Augen. Die großen Fragen nach „Was kommt danach?“ und „Wie sieht das New Normal aus?“ können wir noch nicht abschließend beantworten. Doch unser tägliches Arbeiten, der Umgang mit Kollegen/innen, Vorgesetzten sowie Kunden hat sich verändert und wird sich nachhaltig wandeln.


Was vor einem halben Jahr noch Mindestanforderung war, wird heute über Bord geworfen.

Vor einem halben Jahr waren sich die meisten einig: Eine Videokonferenz ersetzt einfach kein persönliches Treffen. Das geht maximal in einem eingespielten Team von 5 - 6 Leuten, die schon im engen Austausch stehen und im Umgang mit dem Tool bereits erfahren sind.


Dann kam Corona und es hieß: Kamera an!

Letzte Woche haben wir beim Kunden einem komplett remote durchgeführten Prozessworkshop beigesessen. Die Teilnehmer waren alle, Social Distancing berücksichtigend, in ihren eigenen vier Wänden, in unterschiedlichsten Ländern und wir hatten uns zuvor nie persönlich kennengelernt. Trotzdem funktionierte es – Inhalte wurden erarbeitet, Diskussionen geführt, Ergebnisse geliefert und die Technik hat reibungslos funktioniert.


Früher hätte man das abgelehnt: „Niemals, wir müssen uns zumindest zuvor persönlich kennenlernen!“ „Ein Kick-off ist ein absolutes Muss, das geht sonst schief!“ Bei Anlässen, bei denen Kreativität und Diskussion gefragt sind, da lag der Fokus oft auf den soften Kriterien, kultureller Anpassung und dem richtigen Teaming, was man sich nur im persönlichen Austausch vorstellen konnte.


Ist man in der Vergangenheit auch gerne mal für einen 4h Workshop quer durch Deutschland gereist, so haben die Reiserestriktionen und Angst vor einer Infektion sicherlich auch dazu beigetragen, dass wir uns eine Zeit lang hinter den Bildschirmen wohler fühlten.

Doch Veränderung beeinflusst alles. Auch Wahrnehmungen und Glaubenssätze.


Was heißt das für unsere Zukunft als Berater, als Projektmanager und Workshopmoderatoren?

Mut, Neugierde, Offenheit, Einfühlungsvermögen, Flexibilität und ja, auch eine gewisse digitale Affinität. All das gilt es jetzt und zukünftig in der Praxis zu beweisen.


 

Ein Blick auf einige Dinge, an denen COVID-19 gerade aus unserer Sicht den Turbo anstellt:


# Remote statt vor Ort: Radikal wurden viele Unternehmen mit Beginn der Pandemie gezwungen, ihre Vorbehalte von Home-Office beiseite zu legen und entsprechende Strukturen zu schaffen, um arbeitsfähig zu bleiben. Für Arbeitnehmer kann es wertschätzend wirken, die Option auf Home-Office zu bekommen, denn das zeigt das Vertrauen in die Leistung statt „Anwesenheit als Erfolgskennzahl“ oder „Kontrolle als Führungskompetenz“. Gute Leistung entsteht nicht automatisch durch 8 Stunden Anwesenheit. Das gilt auch für uns: Öfter mal den Berater-Trolli Zuhause lassen und zielgerichtet Termine remote und vor-Ort vereinbaren. Ein weiterer Vorteil: Sind die Strukturen, Fähigkeiten und kulturelle Akzeptanz erst einmal geschaffen, kann dies auch im Recruitment helfen: Um die besten Talente zu gewinnen, braucht es Offenheit, auch Kandidaten außerhalb der unmittelbaren Umgebung einzustellen – das gilt für alle Arten der Unternehmen, auch Beratungshäuser.

Dass es sogar komplett remote funktionieren kann, beweisen unterschiedlichste Unternehmen, wie z.B. Personalunternehmen Traitify (USA), die Softwarefirma Buffer (USA), die Wordpress-Agentur Inpsyde (DE),die Softwarefirma Komoot (DE) und der Schuhproduzent Wildling Shoes (DE) [1, 2].


# Videokonferenz- und Kollaborationstools: Ja, „Sorry, könnt ihr mich jetzt hören?“, „Du bist gerade eingefroren“ und „Komisch, eben ging die Bildschirmübertragung noch!“ nerven. Dazu kommt noch die Zoom Fatigue [3]. Doch die ortsübergreifende Zusammenarbeit erlebt dank schneller Breitbandanschlüsse, Smartphones und Tablets, innovativer Videotechniken, robuster Cloud-Computing-Infrastrukturen, On-Demand-Lösungen und preiswerter Kostenmodellen gerade einen Push. Mit wachsender Anbieterzahl und Entwicklungsbemühungen geben wir die Hoffnung auf zukünftig einfache Bedienbarkeit, intuitive Oberflächen und zuverlässige Audio- und Videoverbindungen noch nicht auf! Die entsprechend steigenden Anforderungen an unsere IT Security werden wir dafür in Kauf nehmen.


# Anpacken statt PowerPoint Schlachten: Gezwungen durch Corona, die Technik für die digitale Zusammenarbeit bereit zu stellen, funktionierte bei den meisten Unternehmen noch ganz gut. Doch die Infrastruktur allein reicht nicht, um als Remote-Teams erfolgreich zusammen zu arbeiten. Denn es geht nie um die reine Systemauswahl, sondern darum, gegenwärtige und zukünftige Probleme zu lösen. Dabei gilt es, sich gemeinsam mit der Kundenorganisation offen auszutauschen und gewohnte Prozesse, Abläufe, Routinen und Kommunikation zu hinterfragen und Änderungen pragmatisch und zielorientiert umzusetzen.


# Speed vs. Perfektionismus: Der wirtschaftliche Druck der Kunden erfordert ein schnelles und adaptives Verhalten, um sich auf die rasch verändernden Markterfordernisse einzustellen – so folgt Perfektionismus, der langfristig die Optimierung und Sicherstellung der Effizienz, sicherstellt zunächst der Geschwindigkeit, die mehr denn je entscheidend für wirtschaftlichen Erfolg ist. Insbesondere in Krisenzeiten ist eine schnelle Time-to-Market wichtig. Für einige Unternehmen war es sicherlich das größte MVP ihrer Geschichte, wie sie in kurzer Zeit eine Alternative zu ihrem Geschäftsmodell finden mussten – in einigen Fällen mit großartigen Ergebnissen. Ein spannendes Beispiel hierfür ist Sternglas. [4]


# Expertise statt allwissend: Berater haben viele Rollen, eine davon ist es, den Auftraggebern eine neutrale Perspektive und verstärkte Sicherheit zu schenken, mit gekonntem Blick auf Markt, Technologie, Zukunft und Konkurrenz wichtige Erkenntnisse zu liefern. Dabei sollte dieses Know-how nicht wie das Coca-Cola Rezept gehütet werden, sondern nachhaltig an den Kunden weitergegeben werden. Wir plädieren: Keine Geheimniskrämerei hinter verschlossenen Türen, sondern transparente Zusammenarbeit, bei der Fehler und Wissenslücken auf beiden Seiten nicht versteckt werden müssen, sondern vorhandene Expertise und Qualifikationen wertgeschätzt und bestmöglich kombiniert werden.


# Mensch mit Maschine statt Mensch oder Maschine: Es gilt nicht mit KI, Algorithmen, Business Intelligence, Big Data Analytics und Co. zu konkurrieren oder zu verzweifeln, weil der Wissensschatz von Wikipedia jeden Tag mehr wächst als unsere Gehirnkapazitäten es uns erlauben. Ziel ist, die technologischen Möglichkeiten bestmöglich zu unseren Zwecken auszuschöpfen.


# Empathie als kultureller Wert: Während der Krise ist es wichtig, offen und mit Einfühlungsvermögen zu kommunizieren und Empathie zu zeigen. Das wird auch nach Corona erwartet werden, z.B. durch Remote-Arbeit den verschiedenen Verpflichtungen flexibler nachzukommen. Auch die gesellschaftliche Solidarität und der Zusammenhaltsgedanke, der in der Krise aufgebaut wird, wird sich zukünftig in den Erwartungen an den Arbeitgeber und die Unternehmenskultur widerspiegeln. Berater, Manager und Co.: zeigt Herz!


# Menschlichkeit, Nahbarkeit und Unverwechselbarkeit: Den einen vom anderen Porsche fahrenden Anzugträger mit gegelten Haaren und Augenringen zu unterscheiden, kann in der Menge, in der sie teils bei größeren Unternehmen auftreten, schwer fallen. Lust mit denen zusammen zu arbeiten hätten auch wir nicht. Wir glauben: Für Zusammenarbeit auf Augenhöhe, ehrlichen Austausch und das gemeinsame Entwickeln und Umsetzen von Lösungen braucht es Sympathie, Offenheit, Vertrauen und Bereitschaft, über Fehler und Ängste zu sprechen.


# Machen statt Zuschauen: Teresa Bücker schreibt in der neuesten t3n Ausgabe gekonnt: „Eine Chance für eine andere Arbeitswelt wird die Corona-Pandemie im Nachhinein nur sein, wenn all diejenigen, die sich Veränderung wünschen, ihre Ideen und Sehnsüchte aus der Krise festhalten und Kraft dafür sammeln, dass sie unsere neue Realität werden.“ [1] Wir nehmen das zum Anlass, das Erlernte aus den letzten Monaten aktiv in unseren Arbeitsalltag zu integrieren. Jetzt, wo der Beweis erbracht wurde, dass ein höherer Remote-Anteil an der Arbeit möglich ist, Vertrauen in die Leistungen nicht durch stündliches Über-die-Schulter-Schauen erbracht wird, wollen auch wir das Verhältnis von an Remote- und Vor-Ort Tätigkeit überdenken. Es gilt, den für die jeweilige Aufgabe richtigen Mix zu finden.


 

Wir freuen uns, zu sehen, dass unserem Beratungsschwerpunkt der Digitalisierungsthemen mit Verlauf und nach der Krise weiterhin höchste Aufmerksamkeit und Bedeutung zugesagt wird. Katja Scherer in t3n sagt dazu: „Je stärker Organisationen ihre Prozesse digitalisieren, desto resilienter werden sie. Die aktuelle Corona-Pandemie könnte damit für viele Menschen und Unternehmen zum heilsamen Schock werden. Auch, um sich gegen künftige Krisen besser zu wappnen.“ [1]


Dem blicken wir positiv entgegen und hoffen, dass für uns wie auch viele andere Unternehmen, diese Krise, mit all ihren Facetten, doch noch die ein oder andere Chance für die Zukunft hervortut. Und sei es, dass erkannt wird, dass in Deutschland zwar bisher viel über die Digitalisierung diskutiert wird – auf Konferenzen und Chefetagen, in den Medien und Kaffeeküchen – doch eine konsequente Umsetzung von neuen Prozessen auf sich warten lässt. Lasst uns das gemeinsam ändern!


Lerne uns kennen, teile Deine Meinung mit uns – wir freuen uns auf den Austausch!


Quellen:


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