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Book Review: "The Power of Regret" von Daniel Pink


 


„Hätte ich nur…“, „warum habe ich nie…“, „wie konnte ich nur…“ und so weiter und so fort – Gedanken, welche die meisten bereits geplagt haben und lange verfolgen können. Reue ist eine nur allzu vertraute und schmerzhafte Emotion. Daniel Pink argumentiert in seinem Buch The Power of Regret jedoch triftig für das Potential dieses Negativgefühls. Eine spannende Prämisse, die wir auf jeden Fall in unserem Buchclub diskutieren mussten!


Warum interessiert uns das?

Als 55BirchStreet sind wir oft in einem Umfeld tätig, in dem Entscheidungen schnell getroffen werden müssen und nicht immer perfekt sind. Denn nicht zu handeln, kann ebenfalls teuer werden. Die Fähigkeit, Reue positiv konnotiert als wertvollen und lehrreichen Aspekt des Geschäftslebens zu sehen, kann eine Perspektive bieten, die dazu ermutigt, aus der Vergangenheit zu lernen und in der Zukunft bessere Entscheidungen zu treffen. Reue kann somit zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung beitragen.


Worum geht es in The Power of Regret?

Vorbereitend für dieses Buch, führte Pink eine Umfrage massiven Ausmaßes durch: Die World Regret Survey, in welcher Teilnehmer:innen überall aus der Welt ihre persönlichen Reuen mitteilen konnten, 23.000 an der Zahl – und damit die größte Umfrage ihrer Art. Pink stellte hierbei fest, dass uns in der Regel vier Arten der Reue plagen:


  • Boldness Regrets: Eine Reue gegenüber Situationen, in welchen wir einen gewissen Mut hätten ergreifen müssen, es jedoch nicht taten (oder Reue aufgrund eines gewissen Übermuts). Hätte ich doch nur im Ausland studiert! Warum habe ich nicht nach der Nummer gefragt?

  • Foundation Regrets: Die Reue zu kleinen Entscheidungen, welche in sich selbst keine verheerenden Folgen haben, jedoch lästig werden, akkumulieren sie sich erstmal. Hätte ich früher nur weniger Geld ausgegeben und mehr gespart! Warum habe ich so viel Pizza statt Salat gegessen?

  • Moral Regrets: Die Reue gegenüber ethischen Fehlhandlungen. Ich hätte nicht so gemein sein sollen! Warum habe ich nicht geholfen?

  • Connection Regrets: Das Bereuen bezüglich zwischenmenschlicher Handlungen. Hätte ich nur weniger gearbeitet und mehr Zeit mit meinen Kindern verbracht! Warum habe ich mich bei diesem Freund nie wieder gemeldet?


Pink nimmt grundlegend an, dass jede Reue sich in eine dieser vier Kategorien unterteilen lässt und im Umkehrschluss Verständnis dafür schaffen kann, was uns im Leben wichtig ist. Man denke etwa an die recht basale Feststellung, dass wir, würden wir nicht trauern, wir auch nicht lieben würden. Würden wir nicht bereuen, dann wäre es uns wiederum egal. Damit wir diese Wertvorstellung auf die Praxis beziehen können, müssen wir jedoch auch unsere Reue konfrontieren – und hier erfolgt die praktische Auseinandersetzung.


Aus den Fehlern lernen

Reue nagt – und daher pflegen wir zu häufig einen zu kritischen Umgang miteinander. Pink stellt fest, dass dies jedoch der falsche Ansatz ist. Wenn man beispielsweise mit Freund:innen von sich redet und diese einem von den eigenen Reuen erzählt, springt man schließlich auch nicht in die scharfe Kritik, sondern zeigt sich verständnis- und liebevoll. Anders sollte man mit sich selbst auch nicht umgehen, können wir doch keinen Mehrwert aus unseren Fehlern tragen, wenn wir uns diese nur vorhalten. Warum verdreht mir das den Magen? Kritisch reflektieren, statt zu schimpfen!


Am Ende des Tages verbleibt Reue schließlich als Moment, nicht als Gesamtheit – zu hart ins Gericht mit sich gehen birgt keinen Lerneffekt, sondern lediglich Schuld. Wie sehr uns die eigene Reue somit belastet, ist dementsprechend abhängig vom Umgang damit.



Drei Optionen der Reue; angepasste Grafik aus The Power of Regret.

Eine gesunde Beziehung zur eigenen Reue, ließe sich etwa vergleichen mit Kintsugi; eine traditionelle Reparaturmethode aus Japan, bei welcher zerbrochene Porzellanobjekte mit einem goldenen Leim wieder zusammengefügt werden. Im Zentrum steht somit die Wertschätzung der Fehlerhaftigkeit und eine Betonung des Makels; er verschönert hierbei das Objekt.


Hätte, hätte, Fahrradkette

Zwei Sätze, welche häufig in der Auseinandersetzung mit der Reue folgen, sind „Hätte ich doch nur…“ und „Immerhin habe ich…“. Die feststellende Reflexion zum eigenen Handeln – und diese zwei Sätze haben hierbei auch ganz eigene Funktionen.


Nehme man beispielhaft Olympionik:innen auf dem Siegertreppchen. Herausgefunden wurde, dass der dritte Platz sich häufig glücklicher versteht, da man es immerhin auf das Siegertreppchen geschafft hat. Der zweite Platz aber reflektiert vermehrt darüber, was anders hätte laufen können, um den ersten zu erklimmen. Ganz einfach festgestellt, lässt sich somit sagen: „Hätte ich doch nur…“ sorgt dafür, dass wir uns schlechter fühlen, ebnet aber auch den Weg, sich künftig zu bessern. „Immerhin habe ich…“ wiederum sorgt dafür, dass wir uns besser fühlen, der Lerneffekt ist jedoch weniger ausgeprägt. Beide haben ihre jeweilige Daseinsberechtigung. „Hätte ich doch nur…“ kann je nach Reuekategorie somit auch ein neues Bedürfnis offenbaren:



Die tiefere Struktur der Reue; angepasste Grafik aus The Power of Regret.

Unsere Meinung zum Buch

Theoretisch legt Pink somit ein sehr solides Fundament mit vielen spannenden Impulsen. Aber auf 250 Seiten gestreckt: Wie fanden wir das Buch nun eigentlich?


Hervorgehoben sei die durchgeführte Datenerhebung. Die Ergebnisse sind spannend und aufschlussreich, gut präsentiert und verständlich dargestellt, in der allgemein leichten Schreibweise des Buches. Beim Transport der Inhalte zeigt sich auch der persönliche Bezug Pinks; das sind Beispiele, die berühren und ein derartig datenbasiertes Buch, hätte auch weitaus trockener sein können. Wir sind froh, dass dem nicht so ist!


Nichtsdestoweniger muss man das altbekannte Problem adressieren, unter welchem Bücher dieser Art leiden: Es ist einfach zu lang, selbst bei recht kurzen 250 Seiten. Die Idee ist schnell gefasst – und es ist wohlgemerkt eine gute Idee, keine Frage – jedoch wird diese der Länge nach totgeritten, was das Buch etwas repetitiv macht. Eine alternative Darstellung findet man etwa hier:




Des Weiteren tun wir uns schwierig mit der Distinktion zwischen tatsächlicher Reue und einem plumpen Fehler; Begriffe, welche man nicht so einfach gleichsetzen kann, zumal man in dem Fall einfach über den Umgang mit Fehlern hätte schreiben können. „Aus diesen lernen“ ist hierbei schließlich auch keine bahnbrechende Erkenntnis. The Power of Regret bietet dennoch gute Methoden zum Umgang mit tatsächlicher Reue – das wollen wir nicht aberkennen! Wie fließend die Grenzen jedoch sind, stiftet etwas Verwirrung. Manchmal macht man einfach Erfahrungen. Menschen und Organisationen mit einer ausgeprägten Selbstreflexion, werden aus diesem Buch wohl nicht viel mitnehmen.


Unsere Learnings

Folgendes lernen wir aus The Power of Regret bei 55BirchStreet:


  • Unsere Fehlerkultur: Mehr Unterstützung im Umgang mit Fehlern – nicht nur bei anderen, sondern auch gegenüber sich selbst.

  • Counterfactual Thinking: „Was hätte sein können”, ist auch im Daily Business oder im Karriereverlauf ein schmerzlicher Gedanke sein. „Wenigstens“ kann hierbei häufig einen Trost und Motivation fürs weitere Verfahren bieten! Wichtig ist nur nichtsdestoweniger seine eigenen Learnings zu ziehen.

  • Die vier Arten der Reue: Reflexionen zur eigenen Reue und was wir aus diesen gegenüber unseren eigenen Bedürfnissen ziehen können.


Einen gesunden Umgang mit der eigenen Reue zu finden, ist sicherlich ein toller Ansatz und definitiv kann man in Power of Regret gute Ansätze hierzu finden – aber das Wichtigste findet man auch im entsprechenden Podcast. 😉


Was meint ihr? Wir freuen uns auf den Austausch!

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