Im Silicon Valley herrscht 2004 Goldgräberstimmung. Start-Ups schießen aus dem Boden, alle mit der Hoffnung, das ganz große Geld zu machen, wie Google & Co. So auch die junge, charismatische 19jährige College-Abbrecherin Elisabeth Holmes, die es sich mit ihrem Start-Up als Ziel gesetzt hat, unter allen Umständen Milliardärin zu werden. Bad Blood ist eine Insidergeschichte des atemberaubenden Aufstiegs und Zusammenbruchs von Theranos, dem milliardenschweren Biotech-Startup.
2004 gründet Elisabeth Holmes ihr Unternehmen Theranos, mit dem Versprechen, die Medizinindustrie zu revolutionieren. Sie erfindet eine Maschine im Taschenformat, die Bluttests deutlich schneller und einfacher machen soll. Zeitweise wurden Theranos Aktien mit mehr als 9 Milliarden Dollar bewertet und Holmes wurde zur weltweit jüngsten Selfmade-Milliardärin. Es gab nur ein Problem: Die Technologie hat nie funktioniert. Aus der vermeintlichen Erfolgsgeschichte wurde einer der größten Betrugsfälle, den das Silicon Valley je erlebt hat.
Elisabeth Holmes Charisma hat Menschen in den Bann gezogen - genau wie ihr Erscheinungsbild, das immer Teil der öffentlichen Diskussion war. Die großen Augen, das blonde Haar, die schwarzen Pullover und ihre auffällig tiefe Stimme. Vor allem mächtige und wohlhabende alte Männer glaubten an Holmes' Erfolg. Im Aufsichtsrat saßen unter anderem US-Staatsmann Henry Kissinger, Ex-Außenminister George Shultz und General James Mattis, ehemaliger Verteidigungsminister unter US-Präsident Donald Trump. Sogar Medienmogul Rupert Murdoch investierte.
Wie konnte es dazu kommen, dass „erfahrene“ Investoren auf eine junge Frau und ihre perfiden Intrigen reingefallen sind? Wohlgemerkt wir reden hier nicht von einem Kriminalroman, sondern von der Realität. Ein Grund ist die Befürchtung der Investoren, man könne die eine, große Chance verpassen, hinlänglich bekannt als „Fear of missing out“. Ein anderer Grund ist sicherlich die Art wie das Unternehmen geführt wurde: Elisabeth Holmes hat das Motto „Fake it till you make it“ bis zum Äußersten ausgeschöpft und hat innerhalb der Firma Intransparenz und Überwachung gefördert, indem sie dafür sorgte, dass jede Abteilung abgekapselt für sich arbeitete , ohne Kenntnis, was in anderen Bereichen passierte. Gegenüber den Investoren verschleierte Sie die Tatsache, dass das Produkt nie einsatzbereit war. Das war für sie einfach zu begründen, denn das wäre ja, als wenn man Coca-Cola bitten würde sein Rezept preis zugeben, bevor man in das Unternehmen investiert. Stattdessen hat sie mit ihrer Überzeugungskraft und ihrem Verkaufstalent selbst gestandene Geschäftsleute um den Finger gewickelt.
Auch wenn sich Carreyrou mit Schlussfolgerungen über den Fall Theranos hinaus zurückhält, kann man das Buch auch als Warnung vor der herrschenden Kultur im Bereich Venture Capital lesen, in der Gier keine unerhebliche Rolle spielt. Es wird für Investoren zunehmend schwerer, die Technologien der Start-Ups (beispielsweisen künstliche Intelligenz oder Blockchains), in die sie investieren, zu verstehen. Das hat Holmes geschickt genutzt, indem sie sich ausschließlich auf branchenfremde Investoren konzentrierte und Experten aus der Medizin-und Gesundheitsbranche bewusst ausgelassen hat. Man kann meinen, dass der Fall Theranos ein Einzelfall ist. Das ist er in dieser Ausprägung bestimmt zutreffend, aber es gibt in der Geschichte noch weitere Fälle, wie Enron oder das deutsche Unternehmen Flowtex. Deren Geschäftsführer Manfred „Big Manni“ Schmieder hatte in den Neunzigerjahren mehr als 3000 nicht existente Spezialbohrmaschinen für den Tunnelbau verkauft und so einen Schaden von fast 2 Milliarden Euro verursacht. Auch hier fing alles im Kleinen an und irgendwann war der Punkt überschritten, die ganzen Lügen und Tricksereien zu gestehen. Die Frage, die man sich grundsätzlich stellen kann ist, wo die Grenzen zu „alternativen Fakten“ sind. Ab wann wird Aufhübschen zu Marketing und Marketing zu Betrug? Hier ist jeder Einzelne gefragt und sollte nicht müde werden, sein persönliches Handeln zu reflektieren.
Wie es für Elizabeth Holmes nach dem Bekanntwerden des Skandals weitergeht, steht noch in den Sternen, momentan wartet sie auf ihren Prozess, der am 20. August dieses Jahres beginnen soll.
John Carreyrou ist ein französisch-amerikanischer Journalist. Von 1999 bis 2019 arbeitete er für das Wall Street Journal und war in Brüssel, Paris und New York City tätig. Er hat zweimal den Pulitzer-Preis gewonnen bevor er im Fall Theranos recherchierte und mit einer Reihe von Artikeln im Wall Street Journal das milliardenschwere Unternehmen und dessen Gründerin als Betrügerin entlarvt hat.
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