Drei Wochen China – Eindrücke und Erlebnisse aus dem Land des abnehmenden Bargelds
Warum bekommen wir es nicht hin …. ?
Nach drei Wochen in China fehlt mir am meisten die WeChat-Pay Funktion auf meinem Telefon. Drei Wochen, in denen ich täglich das Schweizer Taschenmesser mit integrierter Bezahlfunktion nutzen und lieben lernte. Denn egal in welchem Geschäft, egal mit welchem Geschäftspartner – bezahlt wird mit WeChat Pay.
Der kleine grüne Aufkleber mit dem QR-Code ermöglicht die Abwicklung von Zahlungsvorgängen in wenigen Sekunden. Kein Chinese kommt auf die Idee die Kreditkarte zu zücken und auch bei der Bezahlung mit Bargeld wird man schräg angesehen.
Eine kleine, nicht repräsentative Untersuchung in diversen Geschäften, vom Supermarkt bis zum Fashion-Retailer in der Shopping-Mall oder in der kleinen Garküche um die Ecke – mehr als 95% der Bezahlvorgänge wurden mit dem Smartphone und somit entweder per Alipay oder WeChat Pay, vorgenommen.
Offizielle Zahlen zeigen, dass aktuell 93,5% der Zahlungsvorgänge über diese beiden großen Anbieter abgewickelt werden. So belief sich das Transaktionsvolumen allein im 4. Quartal 2018 auf sage und schreibe 19,3 Mrd. Euro. Kein Wunder, denn aktuell hat die App täglich über 1 Milliarde aktive User.
Da stellt sich die Frage, wie funktioniert diese Wunderwaffe „Digitales Payment“…? Leider für Touristen oder Geschäftsreisende gar nicht, da eine der Grundvoraussetzungen für die Nutzung ein Konto bei einer chinesischen Bank ist. Hierfür wiederrum ist eine Aufenthaltsgenehmigung erforderlich. Deswegen hat sich mittlerweile eine florierende Industrie gebildet, die Touristen mit temporären WeChat Payment Accounts versorgt.
Was sind die Nachteile – aus meiner Sicht keine anderen, als bei anderen Payment-Methoden auch: Viele haben den Eindruck, den Überblick über ihre Finanzen zu verlieren, ein Argument, was aber auf alle Nicht-Baren-Zahlungsmöglichkeiten zutrifft.
Die Vorteile überwiegen:
# Sichere Zahlungsart
# Kostengünstige Abwicklung
# Hohe Anzahl Akzeptanzstellen
# Schnelle Abwicklung beim Händler an der Kasse
# Einfache und kostengünstige Infrastruktur (in der einfachsten Variante Phone-to-Phone)
China wird schon oft als Beispiel angeführt, dass sie die erste Volkswirtschaft sein könnte, die ganz ohne Bargeld auskommen könnte.
Die Durchdringung von WeChat Pay erkennt man auch daran, dass sogar Straßenmusiker und Bettler häufig den grünen Aufkleber vor sich platzieren, und so um einen Obolus bitten.
Mit großer Verwunderung nehmen die Chinesen es wahr, wenn man ihnen erklärt, dass wir kein WeChat Pay in Deutschland nutzen. Obwohl doch viele, insbesondere für die chinesischen Touristen interessanten Retailer die Möglichkeit anbieten. Bereits heute werden in Europa an mehr als 10.000 Verkaufsstellen AliPay und oder WeChat akzeptiert. In Deutschland sind es schon über 2.000 Verkaufsstellen. Insbesondere die für Chinesen spannenden duty-free Geschäfte an Flughäfen, als auch die führenden Drogeriemärkte bieten diesen Service an.
Kleine Randnotiz: Nur an einer Verkaufsstelle habe ich bewusst die Möglichkeit zur Zahlung mit Apple bzw. Google Pay wahrgenommen.
Eine Frage muss man sich aber für Europa stellen: Warum haben wir nicht eine solche Zahlungsart im Angebot? Eine meiner Erkenntnisse ist es, dass die Integration in WeChat, mit seinen vielfältigen Miniprogrammen, eines der Erfolgskriterien ist. Laut aktueller Studien verbringen die Chinesen durchschnittlich 90 Minuten täglich in dem Ökosystem von WeChat.
Was ist spannend an WeChat? Wenn wir in Europa über digitale Zahlungsarten sprechen, dann wird häufig auf die junge Generation mit einer zu erwartenden hohen Adaptionsrate geschaut. WeChat allerdings wird in allen Altersschichten verwendet. Egal ob das Schulkind, welches das Taschengeld auf sein WeChat Account überwiesen bekommt oder die 80-jährige Oma, alle nutzen WeChat zur Zahlung. Zudem ist es auch kein Phänomen, das nur in einer besonders einkommensstarken oder Technologie affinen Schicht vorkommt, wie das obige Beispiel der Straßenbettler zeigt.
Und nach dem QR Code ist noch lange nicht Schluss. Alibaba bieten beispielsweise die Bezahlung mit Face Recognition an. An vielen Automaten bestellt sich der Kunde seine Getränke und schaut nur noch in die Kamera. Ein kurzer Scan des Gesichts und der Verkaufsprozess ist beendet. Und auch hier verläuft die Entwicklung rasant: Einige Filialen der chinesischen Supermarktkette 7fresh kommen schon ohne den finalen Blick in die Kamera aus: Jedes Regal verfügt über einen integrierten Gewichtssensor. Sobald ein Artikel entnommen wird, protokolliert das intelligente Regal die Auswahl und die Kameras ermitteln den Kunden, der ihn abgeholt hat.
WeChat ist ein Phänomen, das es in kürzester Zeit geschafft hat, durch ein durchdachtes und offenes Ökosystem sowohl den Konsumprozess zu beeinflussen als auch eine technologische Infrastruktur im Megamarkt China aufzubauen. Spannend bleibt die Frage, wann und in welchem Ausmaß auch wir in Europa auf den WeChat- Zug aufspringen.
Ich persönlich, würde mir ein solch einfaches und integriertes System sehr wünschen.
Möchtest du mehr zu dem Thema erfahren? Dann lade unsere Präsentation "Das können wir von China lernen" im Downloadbereich herunter!
Quellen:
Comentários