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Book Review – „It’s Now. Leben, Führen, Arbeiten“ von Janina Kugel




Wir sind enttäuscht.


Das klingt hart und dennoch mussten wir im Book Review von Janina Kugels Buch „It’s Now. Leben, Führen, Arbeiten“ feststellen: Ihrem eigenen Anspruch „Wir kennen die Regeln, jetzt ändern wir sie“ wird das Buch nicht ansatzweise gerecht und sie selbst portraitiert sich in einem – aus unserer Sicht – ungünstigen Licht.

Die Eindrücke, die wir von ihr in Interviews, YouTube Videos und sogar Instagram Posts erhaschen, schaffen mehr Sympathie und Fortschrittsimpulse. Umso mehr enttäuscht das Buch – fehlende innovative Ideen, oberflächliches Tangieren von Themen, die tieferes Beleuchten erfordern, eine privilegierte und wenig differenzierte Ausdrucksweise gepaart mit einem vermeintlich nahbarem Schreibstil.



Darum geht es


Janina Kugel, ehemalige Vorständin der Siemens AG, verantwortete in ihrer Position rund 380.000 Mitarbeiter:innen. Als Personal Vorständin und Mutter von Zwillingen jettete sie um die Welt und nimmt die Leser:innen mit auf ihre Reise. Dabei erzählt sie von Abschlussarbeiten, die sie „zwar nicht auf der Schreibmaschine, aber auf einem alten Computer“ schreiben musste, während sie sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt. Die Anekdoten aus ihrer Siemens-Zeit klingeln dagegen wie aus Hochglanzmagazinen: Sie erzählt, wie sie sich von ihrem Fahrer von A nach B fahren ließ, ständig durch die Welt flog, regelmäßig 10km laufen ging und mit der internationalen High Society telefonierte, um wichtige Geschäfte abzuschließen. Ach ja, zwischendurch brachte sie ihre Zwillinge noch selbst ins Bett.



Das fasziniert


Klingen wir zynisch? Uns würde es nicht wundern. Denn zahlreiche Aussagen führten dazu, dass wir uns für das Buch einfach nicht erwärmen konnten. Tragisch, denn die Frau hat eine beeindruckende Geschichte und richtig was zu erzählen. Leider kommt das im Buch nicht rüber:


  • 🤨 Auszüge aus ihrem Leben wirken – berechtigterweise – privilegiert und mit ihren Problemen können wir uns nicht identifizieren. Bei einigen Formulierungen wurden wir sogar stutzig bis wütend:


  • Wie „das Licht und der Winkel“ im Schminkspiegel auf der Rückbank ihrer Limousine, in der sie chauffiert wurde – ob zur nächsten Konferenz mit der Bundeskanzlerin oder zum Privatjet, „eine Katastrophe“ und in der Autoherstellung zu berücksichtigen seien. (S. 195)

  • „[…] Wenn ich durch São Paulo oder Johannesburg fuhr [Anm. der Redaktion: chauffiert wurde] und kilometerlang Häuser hinter hohen Mauern mit Stacheldraht sah, habe ich mich im Geiste immer gefragt, wie viel Spaß es wohl macht, dort zu leben.“ (S. 168)

  • „[…] Meine Kinder die beste Entscheidung ever waren, auch wenn es manchmal immer noch anstrengend ist.“


  • 🥱 Komplexe Themen, die Tiefgang erfordern, ob Armut, Klimawandel, Flüchtlinge, Diversity, Coronakrise oder Gender-Care-Gap werden aus ihrer persönlichen Perspektive tangiert, ohne wirkliche Auseinandersetzung damit. Personengruppen werden häufig undifferenziert pauschalisiert: Ob „diese jungen Leute“ (S. 66), „die Finnen“ (S. 124) oder „die Reichen“ (S.147 ). Es werden vielzitierte Informationen wiederholt, keine neuen Insights hervorgebracht und die Leser:in bleibt ohne echte Erkenntnis.


  • 😒 Auch der teils flapsige, umgangssprachliche Schreibstil konnte uns keine Nähe oder Sympathie schaffen („Seriously, ernsthaft?“ S. 157), und ihre damals womöglich als revolutionär wahrgenommenen Taten (z.B. als Vorständin in Jeans zur Arbeit zu kommen: „Ich hatte meinen Kleiderschrank durchsucht, eine Jeans gefunden und gedacht: Jo, die isses.“ S. 241) konnten uns nicht wirklich beeindrucken.


  • 🤔 Wir hätten uns vom Lektor eine klarere, sinnhafte Struktur und roten Faden gewünscht, denn innerhalb der Kapitel wird inhaltlich hin und hergesprungen, z.B. „[…] aber die sind hier nicht das Thema.“ (S. 71), „Aber ich schweife schon wieder ab...“ (S. 105)



Es ist nicht Janina Kugels Art, jeder:m gefallen zu wollen. Das respektieren wir.


Und so akzeptieren wir, dass ihr Schreibstil uns nicht begeistern konnte – weil er es eben auch nicht muss.


Auch ihre Vorstellung von Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss uns nicht allen gefallen („Natürlich habe ich regelmäßig Urlaub gemacht, aber an einen Urlaub, ohne arbeiten zu müssen, kann ich mich gar nicht mehr erinnern.“ (S. 50-51). „Diese Flüge [Anm. d. Red: Zehnstundenflug], vor allem tagsüber, bedeuteten immer viel Erholung für mich. Ich konnte arbeiten, mein E-Mail-Postfach war irgendwann aufgeräumt, ich hatte alles zu lesen, was es zu lesen gab oder ich lesen wollte, und Zeit für einen Film oder einen Mittagsschlaf war meistens drin – wunderbar.“ (S. 52). Doch berücksichtigt sie für unseren Geschmack zu wenig, dass es für andere Eltern diverse Gründe geben kann, die sie hindern, frei aus Lust und Laune heraus zu entscheiden, ob und wie viel sie arbeiten.


Wir hatten uns echte Impulse für die Zukunft zum Thema neue Arbeitswelt und Führungskompetenzen gewünscht. Stattdessen fühlt es sich an, wie eine wenig gelungene Kompilation aus „Lean In“ von Sheryl Sandberg und „Das neue Land“ von Verena Pausder. Wir hätten erwartet, uns weniger mit Janina Kugels persönlicher Geschichte zu beschäftigen als mit den aktuellen Möglichkeiten, das Hier und Jetzt zu verändern und die Zukunft mitzugestalten. Wir hatten die falschen Erwartungen an das Buch, angeregt zu werden, neu, anders und divers zu denken, zu übertreiben, auszuprobieren, umzusetzen, anzupacken, auf die Nase zu fallen und letztlich doch prägend zu gestalten.


Und auf dem Weg dahin, auch zu normalisieren, dass Mütter Karriere machen und wie das aussehen kann. Aber eben auch, wie es mit dem Recht auf „Vatersein“ aussieht. Die möglichen Wege, z.B. Vollzeitstellen zu teilen, um allen eine Karriere zu ermöglichen oder Vorständen ein Recht auf Elternzeit einzuräumen. (Es wird Zeit!)


In „It’s Now“ finden wir allerdings nur einen Weg: den von Janina Kugel. Nichtsdestotrotz ist unser Vorsatz jedes BookCircles, dass wir uns für 55BirchStreet etwas aus dem Buch lernen.


Daher hier unsere Top 3 Erkenntnisse:

  • Es bedarf Mut, die Zukunft zu gestalten. Während einige der Schritte von Janina Kugel ihrer Zeit voraus waren, hat sie damit einen wichtigen Beitrag zu dem geleistet, was heute „normal“ ist. Ob als Vorstand Jeans zu tragen, als Unternehmen den Christopher Street Day zu supporten oder während der Arbeitszeit Babies zu stillen und dabei trotzdem Karriere zu machen.


  • Lebenslanges Lernen ist entscheidend für den Unternehmenserfolg. Was Janina Kugel das „Turnhallen-Prinzip“ nennt, könnte genutzt werden, um alle Mitarbeiter:innen wie Neueinsteiger:innen zu betrachten, die kontinuierlich lernen. Das Konzept sieht vor, für Weiterbildungen Turnhallen, Klassenzimmer, Labore etc. zu nutzen, die am Abend sowieso leer stehen würden.


  • Don’t judge a book by it’s cover and don’t judge a person by her book.


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